Titan Missile Museum - Wenn du den Kerl erschießt,
kann er den Schalter nicht mehr umlegen…
kann er den Schalter nicht mehr umlegen…
Nach Tucson, Arizona fahren wir am 19.05.2012 aus einem einzigen Grund: Manfred möchte unbedingt das Titan Missile Museum besichtigen. Zweimal pro Monat gibt es eine Sonderführung, die eine halbe Stunde länger dauert als die normale Führung. Die kann man nicht übers Internet buchen, aber wir haben Glück und ergattern die beiden letzten Plätze. Die Tour startet erst in einer Dreiviertelstunde, also fahren wir noch kurz zum Tanken. Anschließend haben wir viel Zeit, uns im Souvenirshop umzuschauen.
Cooles Souvenir gefällig?
Scheinbar geht das Museum geht recht entspannt mit dem ernsten Thema um. Auf coolen T-Shirts sind Hunde oder Katzen in Uniform aufgedruckt, z. T. mit Helmen wie Astronauten. Die gibt es natürlich auch für Kinder. Erwachsene nehmen gerne Nummernschilder aus den Bundesstaaten mit heim, die sie bereist haben. Hier gibt es eines mit Arizona - Missile II. Ein anderes Schild zeigt eine abgeschossene Rakete mit Aufschrift "Speed Limit 18.000 mph" (29.000 km/h). Wir müssen unsere Urlaubs-Mitbringsel ja nicht hier kaufen.
Bereits der erste Blick beeindruckt
Nach einem 10-Minuten Video müssen wir einen blauen Helm aufsetzen. Der erste Teil findet im Freien statt und wir sind froh, dass es erst 9:30 Uhr ist. Es ist schon ziemlich heiß und natürlich stehen wir in der prallen Sonne. Dafür können wir durch eine Glaskuppel einen Blick auf die Rakete werfen. Die sieht von oben schon ziemlich beeindruckend aus.
Informationen aus erster Hand
Dann geht es über 55 Stufen nach unten in den Bunker. Hier hatten früher nur autorisierte Personen Zutritt. Der Zugang erfolgte durch mehrere Video überwachte Sicherheitsschleusen und über ein täglich wechselndes Passwort. Das wurde nach Verlassen der Schleuse sofort vernichtet, auch Video überwacht. Erst dann ging es weiter.
Die Führungen werden von ehemaligen Crew-Mitgliedern durchgeführt, heute sind auch ehemalige Crew-Commanders dabei. Wir erhalten also Informationen aus erster Hand, und zwar sehr viele Informationen. Die Guides haben bereits über 2.000 Stunden als Volunteer in diesem Museum gearbeitet, einer sogar über 8.000 Stunden. Ohne Freiwillige könnte das Museum nicht betrieben werden. Es finanziert sich ausschließlich von Eintrittsgeldern und Spenden.
Langeweile mit aufregenden Ausnahmen
Einer der Begleitpersonen meint, er hat immer etwas zu tun. So wird es nicht langweilig. Das waren die 24-Stunden-Schichten im Bunker die meiste Zeit schon. Mit wenigen Ausnahmen: Der ehemalige Crew Commander weiß nicht mehr genau, was er damals gerade getan hat. Vermutlich hat er mit den Füßen auf dem Tisch etwas gelesen und sein Kollege auch. Die Waffen lagen irgendwo auf dem Tisch. Wer sollte ihnen hier schon etwas tun? Dann kam die erste Nachricht. Was sollten sie jetzt tun? Ignorieren? Auf jeden Fall müssten sie auf die Bestätigung der Nachricht warten. Die kam zum Glück nicht. Stattdessen kam sehr schnell die Entwarnung, dass jemand oben übte und aus Versehen das Mikrofon eingeschaltet hatte. Aber sonst war es meistens ziemlich langweilig.
Private Einblicke
Wir dürfen auch die Schlafkabine und die Küche besichtigen. Gekocht wurde hier allerdings nicht, nur erhitzt. Das erste, was man gelernt hat war, was man nicht bestellen soll. Solche Kommentare lockern die Führung immer wieder auf.
Jeder darf mal den Schalter umlegen...
Am meisten beeindruckt uns natürlich die Kommandozentrale. Es waren grundsätzlich überall immer zwei Personen im Einsatz, so dass ständige Kontrolle garantiert war. Sollte die Meldung für den Abschuss der Rakete eingehen, müsste diese ebenfalls von zwei Personen verglichen werden. Erst bei genau absolut gleichem Wortlaut dürfte der Anruf beim Präsidenten der Vereinigten Staaten erfolgen. Wenn dieser das Kommando zum Abschuss bestätigt, wird er Schalter umgelegt. Anschließend gibt es kein Zurück mehr.
Das darf heute eine junge Französin machen, die Verwandte in Arizona besucht. Am Ende darf dann jeder mal an den berühmt berüchtigten Schalter ran, der im Ernstfall das Ende ganzer Städte und Regionen bedeutet hätte. Einige nehmen dieses Angebot gerne an. Uns ist das zu makaber. Uns war immer klar, dass nur ein einziger Knopfdruck genügt, um das Leben von Millionen von Menschen auszulöschen. Aber wenn man dann am Ort des Geschehens steht, ist das doch noch ganz anders. Beklemmend und beeindruckend zugleich.
Weitere Informationen aus erster Hand
Normalerweise endet die Führung an dieser Stelle. Wir fahren mit einem Lastenaufzug in Gruppen à fünf Leuten noch eine Etage tiefer und dürfen weitere Teile der Anlage besichtigen. Während wir auf den Aufzug warten, erhalten wir weitere interessante Informationen: Vor kurzem wurde hier eine Folge für "Great Escapes" aus ungewöhnlichen Orten gedreht, die im Herbst im amerikanischen TV ausgestrahlt werden soll. In der Umgebung gibt es noch zahlreiche weitere Raketenstützpunkte. Insgesamt haben 5.000 Leute drei Jahre an allen Stützpunkten gebaut - Top Secret versteht sich. Im ersten Jahr hatten sie an Weihnachten ihren ersten freien Tag, im zweiten Jahr wurde auch an Weihnachten gearbeitet.
Der krönende Abschluss
Zum krönenden Abschluss stehen wir unter der Rakete. Das ist noch beeindruckender als von oben drauf zu schauen.
Sind wir hier am falschen Ort?
Ein Teilnehmer fragt, ob wir aus Europa sind und reagiert etwas zurückhaltend auf "Germany". Normal sind Amerikaner Deutschen gegenüber recht positiv eingestellt. Aber dazu ist hier wohl einfach der falsche Ort.
Mehr als genug...
Beim anschließenden Vortrag im Classroom erfahren wir noch viel über die verschiedenen Raketentypen und dass Hitler vom ersten Modell 30.000 Stück in Bayern bauen ließ. Auf die Frage, wie viele Raketen weltweit stationiert sind, meint der ehemalige Crew Commandor mit einem etwas ironischen Lächeln: "Genug, glauben Sie mir!"
Wenn du den Kerl erschießt, kann er den Schalter nicht mehr umlegen…
Der coolste Spruch kommt auf die Frage, warum die Crewmitglieder bewaffnet waren, obwohl keiner unautorisiert rein kommen konnte. Zum ersten natürlich aus Sicherheitsgründen. Und außerdem: "Wenn man den Kerl erschießt, kann er den Schalter nicht mehr umlegen". Mit diesen Worten werden wieder in die Hitze Südarizonas entlassen. Die nächste Gruppe darf bereits einen Blick auf die Rakete werfen, die mit einem einzigen Knopfdruck das Leben von Millionen von Menschen hätte zerstören können.