Coyote Buttes South –
Auf einer haarsträubenden Piste auf Abwegen
Auf einer haarsträubenden Piste auf Abwegen
Neben der Wave gehören die Coyote Buttes South zu den spektakulärsten Gebieten im Paria Vermillion Cliffs National Monument (Fotos von Wanderung 2007). Trotzdem schlagen die Ranger bei der Wave-Lotterie dieses Wanderziel nie als Alternative vor. Und das hat seine Gründe: Auch hier sind nur 20 Personen pro Tag zugelassen, 10 per Internet und 10 Walk-Ins. Die werden um 10 Uhr für den nächsten Tag vergeben. Um 9:30 Uhr haben die 10 glücklichen Gewinner der Wave-Lotterie ihre Permits in der Tasche.
Vermutlich würde sich der Andrang in den Coyote Buttes South auch ohne Beschränkung ganz von selbst regulieren. Die 50 km lange Piste war bei unserem ersten Besuch 2007 schon in sehr schlechtem Zustand. Wir mussten die Wanderung zunächst verschieben, weil mir beim ersten Anlauf nach der elenden Gurkerei total schlecht war. Beim zweiten Versuch klappt es und wir sind total begeistert.
Es kommt erstens immer anders und zweitens als man denkt
Eigentlich fahren wir nicht gerne Offroad. Pisten sind für uns eher ein notwendiges Übel, um bestimmte Gebiete zu erreichen. Nach unserem 7-Stunden-Offroad-Rekord vom Vortag zu Toroweap haben wir die Schnauze erst mal gestrichen voll. Deshalb wollen wir am Sonntag, 3. Juni 2012 eigentlich einen Ruhetag einlegen.
Wir machen um 9 Uhr noch mal bei der Wave-Lotterie mit. Heute sind nur 43 Leute da – wir geben unseren Antrag als letzte ab und sind Nummer 17. Zwei Tage vorher waren es 63 Leute und 27 Parteien. Wir gehen wieder leer aus. Eigentlich wollen wir nach der Wave-Lotterie zu den Coral Pink Sand Dunes. Da ist am Wochenende immer mächtig was los. Das wollen wir beobachten und fotografieren. Anschließend wollen wir ein wenig faulenzen und am Abend zu den Rimrock Hoodoos fahren.
Um 10 Uhr wollen wir noch schauen, ob es noch Permits für die Coyote Buttes South am nächsten Tag gibt. Meistens bleiben welche übrig. Stattdessen hat Manfred die grandiose Idee, im Visitor Center zu fragen, ob es noch Permits für diesen Tag gibt, also für unseren geplanten Ruhetag. Meine schlimmste Befürchtung wird wahr: Es ist noch einiges übrig.
Wenn wir einen 4WD mit High Clearance haben, können wir ins nächste Offroad-Abenteuer starten. Wir haben noch den Schlüssel für den Jeep, den wir am Vortag für Toroweap gemietet haben, weil der Autovermieter nicht mehr da war. Aber gelten unser Vertrag und unsere Versicherung nicht mehr. Wir haben auch kein Handy dabei, weil wir das in den Coral Pink Sand Dunes nicht brauchen. Also fahren wir ins Motel zurück und rufen den Autovermieter an. Auch hier wird meine Befürchtung war: Er geht ans Telefon. Natürlich ist das mit dem Auto gar kein Problem. Wir können den Jeep noch einen Tag länger haben und kriegen sogar Rabatt.
Also verschieben wir unseren Ruhetag, packen ganz viel zu trinken und etwas zu essen ein und kaufen noch eine weitere Gallone Wasser. Wir brauchen auch noch Batterien fürs GPS. Die sind schon etwas schwach. In einem Gebiet ohne markierte Wanderwege könnte das ein wenig ungünstig sein, wenn plötzlich das GPS versagt. Wir holen unser Permit und dann kann es los gehen.
Don't get stuck!
Die Rangerin hat uns ein paar Tage vorher schon gewarnt, dass die Piste in sehr schlechtem Zustand ist mit vielen sandigen Passagen. Ohne Allrad geht da gar nichts. Das ist schon klar. Aber jetzt haben wir ja wieder einen. Sie gibt uns noch Tipps, wie man zur Not wieder raus kommt, wenn man im Sand fest steckt, den Reifendruck auf 20 Bar verringern. Wir haben auch eine Schaufel und etwas zum Reifen-Aufpumpen an Bord. Trotzdem entlässt sie uns mit dem gut gemeinten Rat „Don’t get stuck!“ We will do our very best!
Auf ins ultimative Pisten-Abenteuer
Dann fahren wir zum Autovermieter, packen alles in den Jeep um und starten um 10:30 Uhr endlich Richtung Coyote Buttes South. Gegen 11 Uhr biegen wir in die Houserock Valley Road ein. Da geht es auch zur Wave und bis dahin ist die Piste noch mühelos mit einem PKW befahrbar. Langsam wird es zwar auch hier immer mehr zur Waschbrett-Strecke, aber das sind wir mittlerweile schon gewohnt.
Wir freuen uns jetzt auch richtig auf die Coyote Buttes South.Eigentlich sind wir auf solchen Touren um 11 Uhr schon längst auf Wanderung. Aber im Juni ist es in der Gegend um 9 Uhr schon genau so heiß wie Mittag. Also ist das fast egal. Das Auto können wir auch zurück bringen, wann wir wollen. Da ist am Sonntag eh keiner da.
Nach dem Wave-Parkplatz sehen wir keine Autos mehr. Wir sind mal wieder allein auf der Piste. Und die wird immer krasser. Es hat in dieser Gegend seit Februar nicht mehr geregnet – also über drei Monate – und das macht sich bemerkbar. Die Piste wird immer sandiger und der Sand immer tiefer.
Zu White Pocket kommt man von den Coyote Buttes South aus kaum noch rüber wegen einer besonders sandigen Stelle. Da ist eine eindringliche Warnung in der Karte, die wir mit bekommen, neben diversen anderen Warnungen. Manfred ist das Offroad-Fahren mittlerweile gewöhnt und fühlt sich in unserem Super-Jeep mit 4WD, Untersetzung, High Clearance und guten Reifen ziemlich sicher. Ich habe mich mittlerweile auch an die Pisten-Gurkerei gewöhnt. Aber das hier übertrifft wirklich alles. Dagegen war der 7-Stunden-Trip zu Toroweap am Vortag beinahe eine Spazierfahrt.
Waschbrett-Piste wechselt sich mit Schlaglöchern und extremen felsigen Passagen ab. Zwischendurch gibt es immer wieder längere sandige Passagen, über die man auch in einem 4WD-Jeep nur mit enormen Tempo sicher drüber kommt. Blöd, wenn dahinter gleich wieder spitze Felsen kommen - bei hohem Tempo ein absoluter Reifenkiller - oder ein Schlagloch. Ich bin genau so auf die Piste konzentriert wie Manfred und lenke im Geiste den Jeep um alle Hindernisse herum.
Vielleicht war das doch keine so gute Idee…
Die Vorfreude auf eine der spektakulärsten Wanderungen, die wir kennen, ist extremer Anspannung gewichen. Manfred fragt, ob ich es bereue. Bereuen ist gar kein Ausdruck. Leugnen wäre zwecklos. Der leere Magen ist bei der Rüttelei und Schaukelei vielleicht ganz gut. Nur macht der Kreislauf langsam nicht mehr mit. Das Frühstück liegt schon einige Stunden zurück und war nicht besonders üppig.
Als ich aussteige, um ein Gatter zu öffnen, dreht es mich fast weg. Ich habe schwere Bedenken, ob es uns nicht wieder so geht wie beim ersten Versuch 2007. Die Coyote Buttes South sind nicht unbedingt leicht zu gehen. Das Gelände ist von der Beschaffenheit und dem Schwierigkeitsgrad vergleichbar mit den Needles im Canyonlands Nationalpark. Mit einigermaßen Kondition ist das überhaupt kein Problem.
Nach zwei Stunden Offroad extrem ist es eher eine Herausforderung. Aber noch bin ich zuversichtlich, dass ich es nach einer kleinen Pause und einer kleinen Stärkung schaffe. Schließlich wollen wir das beide und die Coyote Buttes South sind echt so toll, dass man die ganze Gurkerei schnell vergessen hat.
Bis hierhin und nicht weiter
Leider können wir dann die ganze Wanderung vergessen - nicht weil ich ein wenig klapprig bin, sondern weil wir plötzlich vor einer Sanddüne stehen, die Manfred sich auch mit unserem Super-Allrad nicht mehr zu fahren traut. Er hätte in einer anderen sandigen Passage schon am liebsten umgedreht. Aber das geht natürlich nicht. Jetzt reicht es wirklich.
Nach 1:45 Stunden Offroad-Extrem drehen wir um. Wir sind sicher, dass wir über diesen Sandhügel nicht mehr drüber kommen. Auf dem Rückweg sind wir ziemlich sicher, dass wir auch die letzte sandige Extrem-Stelle nicht mehr schaffen. Im Geiste schiebe ich das Auto über den Sandhügel. Natürlich weiß ich genau, dass das unmöglich ist. Genau wie frei schaufeln. Das haben wir 2010 schon bei deutlich weniger Sand nicht geschafft. Nur waren wir damals nur 10 km (6 Meilen) vom Highway entfernt und hatten nach 5 km (3 Meilen) Handy-Empfang. Hier sind wird mindestens 45 km (28 Meilen) vom Highway und sicher noch mindestens 20 km (12,5 Meilen) vom Wave-Parkplatz entfernt und im absoluten Funkloch. Die Düse geht uns gewaltig.
Zentimeter für Zentimeter
Ich beuge mich vor und sehe, dass sich der Jeep tatsächlich noch bewegt. Zentimeter für Zentimeter – oder eher Millimeter für Millimeter – arbeitet sich der Allrad im Standgas den Sandhügel hoch. Nach endlosen Minuten geht es drüben wieder im normalen Tempo weiter. Die Erleichterung ist grenzenlos. Die krassen Felspassagen und Schlaglöcher sind plötzlich gar nicht mehr so schlimm. Hauptsache, kein Sand mehr oder zumindest nicht bei Steigungen.
Kurz darauf kommt uns ein Fahrzeug entgegen – scheinbar eine einheimische Familie. Unglaublich! Wir hätten nach maximal einer Viertelstunde Hilfe bekommen! Besser, dass wir sie nicht brauchen…
Geschafft!
Gegen 15 Uhr kommen wir erschöpft, aber froh, dass wir es geschafft haben, am Campingplatz beim Arizona Trail an. Wir wollen zwar nicht campen, aber das ist der einzige Platz mit Tischen und Bänken. Und wir brauchen dringend eine Pause und etwas zu essen. Während wir Picknick machen, kommen die beiden ersten glücklichen Gewinner der Wave-Lotterie an, ein deutsches Paar in unserem Alter, das vor uns gesessen ist. Die machen auch nur kurz Pause und haben sich wohl nur den Weg zur Wave angeschaut. Das hätten wir an ihrer Stelle auch gemacht. Typisch deutsch – gut organisiert. Das sind wir normalerweise auch.
Im Urlaub darf man auch mal ein wenig verrückt sein
Außer wenn wir mal wieder ein wenig spontan und flexibel sind... Oder ein wenig durchgeknallt so wie heute und einfach mal eben so um 9:30 Uhr entscheiden, dass wir noch zu den Coyote Buttes South fahren könnten. Aber im Urlaub darf man schon mal ein paar verrückte Sachen machen. Das sagen wir uns dann auch bei unserem Picknick und stürzen uns gleich ins nächste Offroad-Abenteuer.
Normal können wir uns auf GPS verlassen – Aber was ist schon normal?
Übrigens stellt Manfred am Abend fest, dass wir trotz GPS falsch abgebogen sind. Wir sind nicht Richtung Coyote Buttes South gefahren, sondern zu White Pocket, also genau die Strecke, vor der die Ranger alle dringend abgeraten haben - wegen einem unbezwingbaren Sandhügel... Ursprünglich wollten wir über White Pocket zurück fahren, deshalb war dieser GPS-Track ebenfalls gespeichert. Am Display war die ganze Zeit das Ziel "Parken Coyote Buttes South" zu sehen. Wie das passieren konnte, ist uns ein absolutes Rätsel.
Wir sind schon oft nach GPS gefahren und gewandert und immer gut und sicher ans Ziel gekommen. Wenn wir uns verfahren haben, hat uns das GPS immer sofort wieder auf den richtigen Kurs gebracht. Diesmal hält es uns auch auf Kurs – aber leider zum falschen Ziel – und gaukelt uns am Display vor, dass wir immer noch zu unserem Wunschziel fahren. Normal sollte das nicht vorkommen. Aber was ist (bei uns) schon normal? Oder wie ich immer zu sagen pflege: Das ist der Fluch der Technik…